Auskunft

„Manchmal erinnert das an die anrührend verschrobene Poesie von Element of Crime. Und auch die markant knarzende Stimme von Wadenpohl ist von Sven Regeners Alkohol-Tabak-Melange gar nicht weit weg. Dazu gesellt sich die trotzige Melancholie von Gisbert zu Knyphausen und aus der Ferne winken Bob Dylan und Leonard Cohen herüber. Das sind seine Vorbilder, seine Einflüsse.“ (Wuppertaler Rundschau, 2019)

„Bastian Wadenpohls Mikrokosmos heißt Wuppertal, früher mal Monheim, wie dem Steckbrief zu entnehmen ist. Seine Lieder sind allerdings in den meisten Fällen in einen urbaneren Rahmen übertragbar. Vor allem ‚Straßenbahnromanze‘ erzeugt dieses stickige Bild der Zombies und sozial Abgehängten im Öffentlichen Personennahverkehr, die oft kaum mehr wahrgenommen werden.
Hier finden sich zwei von ihnen, und der Kitschfaktor ist einigermaßen hoch („Dank der [Vollbremsung] flog sie in seine ratlosen Arme, und quasi augenblicklich was das Leben wir im Pilcher-Roman.“) Es muss kritisch festgehalten werden, das mit „quasi“ und „Pilcherroman“ zwei der schlimmsten Wörter der deutschen Sprache in einem Satz verwendet werden. Noch dazu zündelt der Sänger im Lied mit dem Höllenwort „Griesgramgruppenbild“ gefährlich mit dem schon erwähnten Alliterationsfeuer. Es bleibt allerdings glücklicherweise eine Ausnahme, denn ansonsten müsste ein Wuppertaler Barde mit einem Wörterbuch verhauen werden. Außerdem holt er mit der lyrischen Antipode ‚Kleine Stadt‘ die Kleinkunstkohlen wieder aus dem Keu…Feuer. Wie alle Themen ist auch das der Kleinstädterei ein beliebtes, völlig zu recht und immer wieder mit Hachja-Moment. An Bernd Begemanns ‚Deutsche Hymne ohne Refrain‘ kommt im deutschsprachigen Kosmos eigentlich kaum etwas heran, aber ‚Kleine Stadt‘ hat viel Schönes.“ (Tante Pop, 2016)

Und nun kommt also dieser Wadenpohl. Und erinnert mich endlich wieder an die Verantwortung der Liedermacher. Und auch jener Menschen, die deren Musik hören, ergo mich eingeschlossen. Erinnert daran, warum ich dieses Genre so abgöttisch liebe. Gute Frage, warum höre ich Liedermacher? Ganz einfach: Ich höre Liedermacher aus den exakt gleichen Gründen, aus denen ich auch Punkmusik höre. Ich verehre den frühen Hannes Wader aus dem gleichen Grund, aus dem ich so gerne zu Platten von The Clash greife. Und Biermann bereitet mir die gleiche infernale Freude wie die Sex Pistols. Doch, doch, die Sache gestaltet sich denkbar simpel: Wenn es nicht brennt, ist es Lollipop. Und von Lollipop haben wir wahrlich genug. Da ist eine Unangepasstheit, eine Rohheit, ein Minimalismus und eine klar artikulierte Wut. Im Punk, in meinem Grundbegriff von Liedermachern – und eben auch in Bastian Wadenpohl. Da ist auch viel Selbstgerechtigkeit, klar, eine fast schon verantwortungslose Unlust daran es allen Recht zu machen und mit 25 Fußnoten zu formulieren, damit sich nur keiner aufregt hinterher, damit jeder sagen kann, dass auch seine Position fein säuberlich bedacht wurde. Womit wir direkt bei diesen „Krisenliedern“ wären, denen eine Inbrunst und eine Kraft innewohnt, wie ich sie seit Jahren mehr oder minder vergeblich suche bei Liedermachern. Allein eine Durchsicht der Titel macht klar, woran wir hier sind: „Radikalisiert“, „Hanfkampflied“, „Blase aus Blödheit“. Mit seiner tiefen, wahrlich uniquen Stimme wirft sich der Kölner Liedermacher in eine fast durchgängige Tirade, beschimpft bundesdeutsche Gepflogenheiten, dass es eine Wonne ist – und nutzt sein Instrument nach guter alter punkiger d.i.y.-Methode eher ungehobelt als denn musisch. Sicher, ab und an klingt er gerade in seiner Intonation dabei wie jemand, der eine Terz zu ausgiebig in die Platten eines Wolf Biermann gehört hat, so brachial, so kompromisslos geht er zu Werke. Doch, mit Verlaub, geht es nicht gerade darum in der Liedermacherkunst? Ungestüm zu Werke zu gehen, sich ohne Wenn und Aber angreifbar zu machen? Wohlerzogene Muttersöhnchen aus gutem Hause sind eine nette Sache, so nett, dass die ganze Musikbranche inzwischen voll davon ist und auch im Chansonbereich die meisten jungen Vertreter offenbar alles dafür tun, um nur nicht unangenehm aufzufallen, ja sogar, seltsame Entwicklung, zunehmend in Konfirmandenoutfits antreten. Das ist schon okay, kann man machen, aber mit Verlaub: Muttersöhnchen in Konfirmandenoutfit bin ich schon selbst, das brauch ich nicht noch auf dem CD-Teller. Was ich brauche ist ein Liedermacher der aneckt, einer, der sich traut Dinge anzusprechen, die man auch rafft ohne vorher Platon oder Kant gelesen zu haben. Es braucht mutige Sänger, solche, die auch mal behände übers Ziel hinausschießen, sich vollkommen verrennen in ihrer Inbrunst – die aber gerade deswegen so herrlich kompromisslos an meinem Nerven-, Gedanken- und Konfirmanden-Kostüm rütteln. Ich will einen Liedermacher, dessen Konzert ich mir anhöre und der mich dabei so aufregt, positiv und negativ, dass ich hernach mit hochgeschobenen Hemdsärmeln direkt hinter die Bühne stapfe, um ihm mal zwei, drei Takte zu erzählen, seinen Kopf gerade zu rücken. DAS ist Liedermacher und DARUM liebe ich dieses Genre. Und gerate vollkommen aus dem Häuschen, wenn endlich (endlich!) mal wieder einer kommt, so wie Bastian Wadenpohl, und genau dieses tiefe Bedürfnis nach einem Ende der Gelacktheit bedient.“
(David Wonschewski, Ein Achtel Lorbeerblatt, 2014)
